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Apr. 2022

Filmtonmeister und Podcaster

Wer bist du und was machst du beim Film?
 

Mein Name ist Benjamin Schubert, ich bin 59 Jahre alt und arbeite seit 1984 beim Film. Angefangen habe ich beim Schnitt, wo ich von morgens bis abends Videomaterial gesichtet und geschnitten habe. Hier konnte ich auch zum allerersten Mal einen Blick hinter die Kulissen eines Filmdrehs werfen und war direkt Feuer und Flamme, bzw. in meinem Fall Stimme und Mikrofon. Denn mich interessierte besonders der Ton, deshalb spezialisierte ich mich und wurde 1990 zum Filmtonmeister.
 

Seitdem reise ich von einem Filmset zum nächsten, nehme Umgebungsgeräusche und Menschen auf und versehe den Film (augenzwinkernd): „Hoffentlich mit einem einigermaßen angemessenen Ton”. Das mache ich auch heute noch mit derselben Begeisterung wie vor fast 40 Jahren. Das Besondere: jedes Projekt ist anders, jedes Mal lerne ich neue, talentierte Menschen kennen und jedes Mal erwecke ich mit meinem Ton einen neuen Film zum Leben. Das ist toll.


Macht Filme machen genauso viel Spaß wie Filme gucken?
 

Oh ja! Alle, die gerne außergewöhnliche Geschichten erzählen und erleben wollen, werden beim Filmemachen sogar mehr Spaß haben, als beim Filme gucken. Denn auch wenn Filmemachen mühselig ist, die Tonangel einen unerwünschten Schatten auf das Gesicht der Schauspieler:innen wirft oder ein ganzer Straßenzug gesperrt werden muss, weil eine Stunt-Szene gedreht wird – am Ende bleiben außergewöhnliche Erfahrungen.
 

Auch heute noch stehe ich fasziniert neben dieser Maschinerie aus vielen Zahnrädern, die jede Szene akribisch bis ins Kleinste planen und umsetzen und freue mich immer wieder, dass auch ich meinen Teil dazu beitragen kann. Für reine Cineasten, die sich einfach nur gerne in der Geschichte eines guten Films verlieren, ist Filmemachen vielleicht gar nicht das Richtige.


Alltag beim Film – Nine to five oder geile Szene bei Nacht: „YEAH” high five?
 

Ich komme aus einer Zeit, in der Gewerkschaften und Arbeitsrechte genauso legendär waren wie fliegende Autos. Damals haben wir sogar einmal 24 Stunden am Stück gedreht, denn die Location war nur bis zum nächsten Morgen um 7:00 angemietet. In dieser Zeit musste der Film im Kasten sein. Es war oft nicht ganz einfach, aber ich habe dabei viele außergewöhnliche Momente erlebt.
 

Allerdings hat sich die Filmwelt sukzessive verändert und angepasst. Natürlich ist sie kein Nine-to-five-Job, weshalb sie auch nicht für Nine-to-five-Menschen gemacht ist. Heutzutage bleiben wir regelmäßig in den vorgesehenen 10 Stunden und es werden deutlich weniger Überstunden gemacht.
 

Und um ehrlich zu sein, ist das genau der Grund, warum ich heute nicht von nine-to-five an einem Schreibtisch sitze und jungen Menschen lieber erzähle, warum ich meinen Traumjob in der Filmbranche gefunden habe. 


Was magst du an deiner Arbeit besonders?
 

Wenn man bedenkt, dass selbst große Kinofilme oft in nur 8-10 Wochen gedreht werden, kann man sich vielleicht ausmalen, wie intensiv diese Zeit ist. Wenn man mit einem Team von 30-100 Menschen gemeinsam in einem Hotel eincheckt, wird der Filmdreh schnell zu einer Klassenfahrt. Man lernt tolle neue Menschen kennen, wächst, arbeitet und lebt zusammen.
 

Für den Drehzeitraum ergibt sich dabei oft eine besondere Gemeinschaft und man bereist außergewöhnliche Stellen und Orte, die man in seinem Leben sonst vielleicht niemals gesehen hätte. Luxusvillen z.B. oder ein Gefängnis, wo es mitten im Dreh plötzlich heißt: „Achtung! Nicht durch diese Tür gehen, da sitzen die Echten drinnen.”


Ralf Richter oder Klaus Kinski – was für Menschen arbeiten beim Film?
 

Die Zeiten, in denen Schauspieler und Schauspielerinnen als stürmische Naturgewalten über das Filmset wüteten, sind längst vorbei. Die Effektivität der heute stattfindenden Filmdrehs lassen solche Eskapaden gar nicht mehr zu. Stattdessen trifft man auf eine Vielfalt von spannenden und entspannten Charakteren, die Drehbücher mit einer Mischung aus Kunst und Handwerk zum Leben erwecken.
 

Zu den Grundvoraussetzungen der Menschen beim Film zählt Flexibilität, denn beim Dreh läuft nicht immer alles glatt, da ist dann plötzlich mal Wolkenbruch statt Sonnenschein und dann muss auch mal schnell alles umgeplant werden. Eine ausgeprägte Sozial- und Kommunikationskompetenz ist ebenfalls entscheidend, denn immer wieder trifft man auf neue Menschen aus der ganzen Welt.

Nicht zuletzt sind sie begeisterungsfähig und bleiben immer 100 % bei der Sache, auch wenn der Dreh wegen des Umbaus der Bühne, Maske, Beleuchtung, Ton oder anderen Gewerken des Films 30-40 Mal pausiert.  

 

Welche Jobs gibt es beim Film?
 

Bei der Beurteilung der Arbeit beim Film herrscht besonders bei Außenstehenden eine große Unwissenheit, woher soll man es auch wissen? Hier gibt es nicht nur Drehbuch, Produktion und Regie, sondern auch eine Vielzahl von handwerklichen Berufen, künstlerischen Abteilungen, Organisationstalenten und falsch benannten Assistenzen.
 

Denn in fast jeder Berufssparte gibt es noch mal einige Untersparten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Abteilung der Aufnahmeleitung. Es gibt 1. Aufnahmeleitung, Set-Aufnahmeleitung, Motiv-Aufnahmeleitung oder Aufnahmeleitungsassistenz. Jede hat eigene Schwerpunkte und andere Aufgaben, die wiederum andere Talente und persönliche Stärken voraussetzt.
 

Die Filmbranche hat hier einen riesigen Bedarf an neuen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen und wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen draußen auf der Straße auch darauf aufmerksam werden. Denn viele wissen gar nicht, dass Ihr Traumjob beim Film eigentlich nur auf sie wartet.

 

Was macht diese Jobs so besonders, aber vor allem so besonders wichtig?
 

Nur Häuptlinge würden beim Film nicht funktionieren. Die kleinen souveränen Rädchen des Filmwerks sind das Fundament – ohne sie läuft gar nichts. Die größte Besonderheit dieser Jobs ist ihre Flexibilität, denn wie in meinem Fall fängt man oft in einem Bereich an, macht aber am Ende etwas ganz anderes.
 

Die Filmbranche lädt Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten ein. Wenn man erstmal angekommen ist und sich für einen Weg entschieden hat, kann man wirklich tolle Sachen erleben. Jetzt noch verbesserte Ausbildungswege und der Nachwuchs kann kommen.
 

Wie kamst du zu der Idee eines eigenen Podcasts: Setgeflüster?
 

Die Filme und Serien kennt fast jeder, aber die Menschen dahinter kennt so gut wie keiner. Deshalb weiß auch fast niemand, welche Jobs und Möglichkeiten es beim Film gibt. Darüber möchte ich aufklären und stelle in meinem Podcast die Menschen in den Mittelpunkt, die sonst nicht im Rampenlicht stehen, obwohl sie in der Filmbranche zu den ganz Großen gehören.
 

Ich möchte vor allem darüber aufklären, wie außergewöhnlich diese Arbeit ist und dass man hier eine unglaubliche Zeit erlebt. Es gibt in meinen Augen keinen Job, der damit konkurrieren kann und das möchte ich auch branchenfremden Menschen zeigen, die vielleicht noch auf der Suche nach dem richtigen Job sind und die nicht wissen, dass der bereits am Filmset auf sie wartet.
 

Gibt es aus deiner Zeit beim Film eine besondere Erinnerung, von der du auch heute noch erzählst?
 

Oh ja! Der Filmdreh zu „Blueprint” von Rolf Schübel, mit Franka Potente in der Hauptrolle, bleibt mir auch heute noch in besonders guter Erinnerung. Ein Großteil des Drehs fand nämlich in Kanada statt, aber nicht irgendwo in Kanada, sondern an einem der schönsten Flecken dieser Erde – in Vancouver Island.
 

Unsere Unterbringung war an einem kleinen Zipfel am Ende eines winzigen Fischerdöfchens direkt am See. Jeden Morgen sind wir mit den Fischerbooten auf eine Insel gefahren, wo der Dreh in einem eigens dafür gebauten Häuschen stattfand.
 

Und an einem Tag bin ich mit ein paar Kollegen:innen aus der kanadischen Crew rausgefahren und wir haben Lachse gefangen, die wir dann mit dem ganzen Team bei einem Grillfest zubereitet haben. Diese Zeit werde ich mein Leben lang nicht mehr vergessen. 

 

Hier geht's zum Podcast → Setgeflüster